
Es ist ziemlich wunderbar, wenn jemand zu einer altbekannten und in vermeintlich jede mögliche Richtung bereits durchgenudelte Reihe nicht nur eine neue Idee hat, sondern sogar eine kluge.
Dabei ist es gar nicht so wichtig, dass HALLOWEEN (2018) alle Filme zwischen diesem und HALLOWEEN (1978) ignoriert. Das, naja, hilft höchstens dabei, ernstgenommen zu werden, aber ansonsten löst es hauptsächlich ein paar alberne erzähllogistische Probleme, nicht viel mehr. Nein, das Kluge am neuen HALLOWEEN ist, dass es ein echter Slasher nach dem Slasher ist.
Die meisten Fortsetzungen in diesem Genre begnügen sich ja damit, das Trauma der Überlebenden aus dem Vorgänger mit ein bis zwei mittelplausiblen Traumsequenzen zu bebildern oder gleich á la SCREAM 2 geradeheraus zuzugeben, dass Erzählung und Figuren ab jetzt sowieso weitgehend egal sind und es nur noch um Eskalation geht. In HALLOWEEN hingegen geht es primär um das Leben nach der Tat: Laurie (Jamie Lee Curtis), die quasi die letzten 40 Jahre ihres Lebens ihrem Trauma geopfert hat; ihre Tochter (Judy Greer), dessen Beziehung zur Mutter daran zerbrochen ist, dass ihr einziger Lebenszweck das Überleben geworden ist; und Michael Myers selbst, dessen Leben 40 Jahre lang einfach nur auf Pause war und der maschinenhaft wirklich genau dort weitermacht, wo er 1978 gestoppt wurde. Dazu dann die Podcast-Journalisten, die – genau wie das Publikum herkömmlicher Slasher-Fortsetzungen – nicht verstanden haben, dass die Überlebenden einer solchen Tat am Interessantesten sind. Sogar Michaels Therapeut lernt besonders schmerzhaft, wie fehlgeleitet seine perverse Neugier ist.
All das klingt verkopfter als der Film tatsächlich ist: Ja, es dauert eine Weile, bis Michael tatsächlich in Haddonfield herumhackt. Aber der Konflikt zwischen Laurie und ihrer Familie ist so einfach wie eindrücklich. Keiner kann so eine Mutter ertragen, und sie hat doch überhaupt keine Wahl, nicht diese Person zu sein. Das Leid, als Jamie Lee Curtis zum Familienessen erscheint, ist fast so schmerzhaft wie Michaels Messerstiche. Wie wertvoll ihr Opfer tatsächlich war, offenbart sich erst in der allerletzten Sequenz: Michael, der gesichtslose Böse, wird im Keller von Lauries Haus aus dem Unterbewusstsein getilgt. Selten war in einem Slasher die Emanzipation über das vom Killer zugefügte Trauma deutlicher als hier.
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