
Alles hier ist längst vergangen. Schon die Eröffnungsszene mit der blutverschmierten Mia Wasikowska rahmt das ganze Geschehen als Erinnerung, und auch wenn es für sie gerade erst passiert sein mag, so ist es für den Zuschauer doch sagenhaft ferne Vergangenheit.
CRIMSON PEAK. Der Name allein ist symbolbeladen bis zum Anschlag. Das Blutrote darin, das Höllische, aber auch das Leidenschaftliche. Das Abgelegene, kaum Erreichbare, Strapazenhafte und Entbehrungsreiche, das mit dem Wort “Peak”, Berggipfel verbunden ist. Und, auch das, die zweite Wortbedeutung, ein Höhepunkt, der nur aus zukünftigter Distanz als solcher erkennbar ist und deshalb wieder in die Vergangenheit weist.
Das Haus auf diesem Berggipfel ist folgerichtig schon zu Beginn nur eine kaum bewohnbare Ruine, und das Geschäft der Bewohner ist längst zugrundegerichtet durch den unablässigen Fortschritt von Industrialisierung und gnadenlosem Nutzdenken. Kaum einer spielt den barocken Träumer so wunderbar und sinister wie Tom Hiddleston, und dass sein Untergang ausgerechnet dadurch unvermeidbar wird, dass er Tradition und Vergangenheit nicht loslassen kann, sondern sie mit der Zukunft verknüpfen will, macht ihn zum gescheiterten romantischen Helden. Del Toro hat ein wundervolles Gespür dafür, uralte Geschichten mit moderner Relevanz aufzuladen und scheut sich auch nicht davor, die Tricks und Kniffe seines Heimatgenres diegetisch zu erklären: “Das ist keine Geistergeschichte, der Geist ist nur eine Metapher”, darf die angehende Autorin Edith (Wasikowska) verteidigend sagen, als sie gefragt wird, ob sie nicht lieber was etwas bodenständigeres, moderneres schreiben wolle.

Die Reise, die sie von der ersten bis zur letzten Geisterbegegnung zurückgelegt hat, ist eine umgekehrte Adoleszenzgeschichte: Erst das warmholzige des Elternhauses, die Kindheit, der schützende Vater und die auch posthum noch düster-fürsorgliche Mutter. Dann Aufregung, Verwirrung, Erwachsenwerden, Schmerz und Verlust, schneller als erträglich. Ihr verstorbener Vater wird sie nicht nach seinem Tod besuchen, denn seine Welt ist die rationale. Dafür zieht Edith nach Crimson Peak, diesen Ort voller anachronistischer Leidenschaft, in dem Gespenster, Boden und das Kleid der Schwägerin blutrot gefärbt sind, ehe der hereinbrechende Winter all das unter einer Decke weißer Unschuld begräbt. Nur noch in den Fußspuren kommt der lehmrote Boden zum Vorschein als Andenken dessen, was passiert und beinahe vergessen ist.
Ich mag so ziemlich alles, was del Toro gemacht hat. Kaum einer kann so kunstvoll Kindergeschichten für Erwachsene erzählen, oder Erwachsenengeschichten mit der gruseligen Faszination eines ewigen Kindes. CRIMSON PEAK ist ein Abgesang auf das Genre des Gothic-Horror, eine Art Spätwestern in den Farben von IL GRANDE SILENZIO. Wäre Nathaniel Hawthorne Regisseur gewesen, hätten seine Filme so ausgesehen.
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