Under the Silver Lake (David Robert Mitchell, 2018)

Am Klischee des Wortes “Traumfabrik” haben sich schon einige abgearbeitet. Zum Beispiel die Coen-Brüder mit ihrem BIG LEBOWSKI, dessen Hollywood-Vorstellung zwar primär von schmierigen Pornoproduzenten geprägt war, aber der genau diesen Fokus dann immerhin in herrlich alberne Holzhammer-Symbolträume verwandelte. Oder David Lynchs MULHOLLAND DR., in dem der Traum über Berühmtheit und Erfolg der deprimierenden Realität dekadenter Hollywood-Herzlosigkeit weicht. UNDER THE SILVER LAKE – naja, wie soll man es sagen, ohne dass es wie eine billige Werbezeile klingt? – ist irgendwie eine Mischung genau dieser beiden Filme.

Oberflächlich sowieso: Stoner-Humor einerseits, verworrener Surrealismus andererseits, wunderschön und wundersam gefilmt sowieso. Apropos oberflächlich: Genau um die Oberfläche geht es dann auch unterhalb ihrerselbst.

Andrew Garfield gibt Sam, den kleinen Lebowski dieses Films, der seine Zeit damit verplempert, mit Pornosternchen (Riki Lindhome) zu schlafen und die barbusige Mittfünfziger-Nachbarin vom Balkon seines Appartments zu beobachten. Miete zahlt er eher nicht, arbeiten, haha. Nur: Froh ist er auch nicht. Das ist – so erzählt der Film wenigstens in Andeutungen – wohl so, seit ihn seine Freundin verlassen hat, vermutlich auch weil für ihn in ihrer ernüchternd langsam voranschreitenden Hollywood-Karriere (sie ist immerhin schon Plakatmodel für Kontaktlinsen) kein Platz mehr ist.

Es wäre vermutlich ein Fehler, jetzt die weiteren Details der Geschichte auszubreiten, wie es dazu kam, dass Sam eine große Verschwörung wittert, was Hundemorde, verschwindende Nachbarinnen, Männer in Piratenkostümen und altägyptische Beerdigungsrituale mit Filmen, Popmusik und Nintendo zu tun haben. Irgendeinen Sinn muss all das Seltsame doch haben, denkt er sich jedenfalls. Denn die Alternative ist zu schmerzhaft: Es gibt keinen Grund für seine Einsamkeit, kein Geheimnis, das ihm den Zugang zu einem glücklichen Leben versperrt.

Es geht in UNDER THE SILVER LAKE also auch um Verschwörungstheorien und die Motivation der Leute, die an sie glauben. Das “I can see clearly now” vom Kontaktlinsen-Werbeplakat seiner Exfreundin erscheint wie der Spott eines Insiders, die mordende Eulenfrau, auf deren Spuren er stößt, wie der tödliche Wächter über eine geheime Gesellschaft. In der besten Szene des Films trifft Sam einen mysteriösen Songwriter, den Autor aller bekannten Popsongs der letzten Jahrzehnte, der ihm gesteht, dass er in all seinen Werken Hinweise versteckt hat, ehe Sam ihm mit Kurt Cobains Gitarre den Schädel einschlägt.

Ein paar Bettlerkönige, Schatzkarten in jahrzehntealten Nintendomagazinen, Müslibox-Armbänder und Underground-Comichefte später sind von der einstigen Popwelt-umspanennden Verschwörungstheorie nur noch die dekadenten Unsterblichkeitsfantasien reicher Hollywoodmogule übriggeblieben.

Die schmerzhafte Alternative eben: Es gibt keinen Sinn hinter Sams Einsamkeit inmitten dieser oberflächlichen Glitzerwelt. Trost bietet nur das Bett der barbusigen Mittfünfziger-Nachbarin, die längst aufgegeben hat, sich noch für die sie umgebenden Rätsel zu interessieren.

PS: So wundersam wie der Film sind übrigens auch die Details im obigen Plakat. Allein in den Luftbläschen über der ertrinkenden Frau erzählen sich ganze Geschichten:

11 / #100movies19

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